Thomas Christes hat mit seiner Hörfunkarbeit gleichzeitig den Grundstock für sein eigenes Studio gelegt. Damals, zu „Analog-Zeiten” ging es in erster Linie um vernünftige Mikrofontechnik und die Bedienung einer Rundfunkbandmaschine. Erste Redaktionserfahrungen sammelte Thomas Christes bei radio ffn und wechselte nach einer Hospitanz bei Radio Luxemburg zum Norddeutschen Rundfunk. Nach seinem Volontariat im münsterländischen NRW-Lokalfunk war er noch drei Jahre Redakteur und CvD in seinem Ausbildungssender und kam dann zurück nach Hannover, um weiter für den NDR tätig zu sein. Thomas Christes arbeitet heute freiberuflich als Rundfunkjournalist und Audioproduzent. Seinen Redaktionsalltag organisiert er selbst. Mit hochmoderner Technik, streng nach ARD-Vorgaben und sogar noch darüber hinaus. In jahrelanger Praxis hat er sich zu einem Spezialisten der Sendeform des „gebauten Beitrags” entwickelt. Eine Darstellungsform, die O-Töne und journalistische Moderation vereint.
Ob Service- oder Beratung, ob Lifestyle, oder aktuelle politische Berichterstattung: Beiträge beinhalten oft Umfragen, die die Meinung der Menschen transportieren. Wer glaubt, das Sammeln von Umfrage-Elementen sei nur etwas für Praktikanten, der irrt. Jahrelange Erfahrung zahlt sich aus: Wie werden Menschen angesprochen? Wie stellt man seine Fragen? Wie hält man das Mikrofon? Und nicht zuletzt auch die Frage, welche Hintergrundgeräusche („Atmo”) gewollt und nicht gewollt sind.
Der moderne Radiojournalist ist nicht nur Autor, sondern zugleich auch Techniker. Das mag für den Laien kompliziert aussehen, ist aber in der Praxis gar nicht so schwer. Natürlich muss jeder Handgriff sitzen: Welche Kabel werden wo angeschlossen, welcher Knopf muss gedrückt werden, wie vermeidet man „Brummschleifen” usw. Natürlich muss man dafür ein Händchen haben und darf mit der Technik nicht auf Kriegsfuß stehen. Zunächst wird das mobile Aufnahmegerät an die Studiotechnik angeschlossen.
O-Töne, das sind die Originalaufnahmen - z.B. ein Interview oder eine Straßenumfrage. Alles, was möglicherweise für den zu sendenden Beitrag in Betracht kommt, wird erst einmal in den Computer eingespielt. Dabei wird schon mal eine erste Selektion vorgenommen: Unsinniges wird erst gar nicht übernommen, die besten Aufnahmen dagegen „schaffen es in den Computer”. Während des Einspielens wird auch schon auf den richtigen Pegel geachtet, nichts darf übersteuert werden (der berühmte „rote Bereich”) - und was draußen vor Ort etwas zu leise aufgenommen wurde, wird im Studio künstlich „hochgezogen”.
...ist praktisch das A und O bei der Produktion eines Beitrags. Mit der Maus bzw. dem Trackball ist das am digitalen Schnittplatz kein Problem. Ruckzuck sind die Stellen, die herausgeschnitten werden sollen, markiert. Ein Druck auf die „ENTF”-Taste löscht dann das betreffende Audiomaterial. Thomas Christes achtet besonders darauf, dass Schnitte nicht zu hören sind, und dass auch keine „harten Anreiß-Silben” entstehen. Für ihn wäre ein schlechter Schnitt schlimmer als ein Versprecher oder ein „ääh” im O-Ton. Sinnlose Nebensätze oder hässliche Räusperer können meist so herausgeschnitten werden, dass kein hörbarer Eindruck der Bearbeitung entsteht. Wobei die journalistischen Grundsätze natürlich beachtet werden müssen, sprich: Der Sinn eines O-Tons darf durch Schnitt nicht verändert werden. Jeder O-Ton wird im exakten Wortlaut abgetippt, da die meisten Redaktionen eh ein Manuskript erwarten bzw. auch den Text eines Beitrags archivieren wollen.
Auch „historische Rundfunktechnik” kommt noch gelegentlich zum Einsatz. Meist dann, wenn alte Archivbänder abgehört werden müssen, die vielleicht noch Audiomaterial enthalten, das in einen aktuellen Beitrag eingearbeitet werden soll. Diese werden dann ebenfalls in den Computer überspielt und damit digitalisiert. Übrigens: Noch bis weit in die 90er Jahre war es gang und gäbe, seine O-Töne an der Bandmaschine zu schneiden. „Schneiden” im wahrsten Sinne des Wortes: Das Band wurde am Tonkopf hin- und hergeführt, und an der gewünschten Stelle mit einer Stempelmarkierung versehen. Mit einer messerscharfen Schnitteinrichtung wurde das Band dort durchtrennt und an anderer Stelle mit einem Spezialkleber wieder zusammengefügt. Das Prinzip ist vergleichbar mit dem damaligen Schnitt von Super-8-Filmen.
Wenn alle O-Töne im Computer vorliegen, kann mit dem Texten begonnen werden. Zunächst entsteht ein Anmoderationsvorschlag, der später dem Moderator übergeben wird. Damit wird auch sichergestellt, dass sich die Anmoderation nicht mit den ersten Sätzen des Beitrags doppelt. Sobald der Text fertig ist und von der vorgegebenen Länge alles passt, werden letzte telefonische Absprachen mit der Redaktion getroffen. Möglicherweise wird die ein oder andere Formulierung noch „umgebogen”.
Der letzte Schritt, das eigentliche Sprechen des eigenen Textes, geht eigentlich recht schnell von der Hand. Der Studiotext, der in der Regel 40 bis 50 Prozent des Beitrags ausmacht, wird mit den O-Tönen so arrangiert, dass Text und O-Ton weich ineinander übergehen. Das erfordert etwas Know-how, ist aber für einen geübten Produzenten reiner Alltag. Fertig ist der Beitrag: Er wird als MP3-File ins Funkhaus überspielt und von dort wenig später „auf die Antenne” geschickt.
Thomas Christes ist vom Norddeutschen Rundfunk gebeten worden, sich an einem Forschungsprojekt zu beteiligen, das Studenten zum Thema „Der gebaute Beitrag” als Buchform veröffentlicht haben. Ein Kontaktabzug des Buchabschnitts mit weitergehenden Informationen kann hier eingesehen werden:
aus der Reihe „Praktischer Journalismus”
von Margareta Bloom-Schinnerl
UVK-Verlagsgesellschaft
ISBN 3-89669-300-X
Auch die Fachzeitschrift „der journalist“ zitiert Thomas Christes in einem Artikel von Wolfgang Scheidt. Es geht um das seit Jahren mehr und mehr nachlassende Niveau von Sprache und Wortwitz im Hörfunk.